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Wie ein Ei dem anderen

von Simone Georgieva

 

„Ähnlichkeit“ scheint das Schlagwort für eine gelungene Partnerschaft und Ehe zu sein. Forscher fanden heraus, dass sich „Gleich und Gleich tatsächlich gerne gesellt“  und gemeinsame Persönlichkeitsmerkmale bedeutsam für die Überlebensdauer einer Beziehung sind. 

 

Die Forscher Beatrice Rammstedt, von der Mannheimer Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen, und Jürgen Schupp, vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, setzten sich mit der Forschungsfrage auseinander, wie ähnlich sich Partner hinsichtlich bestimmter Persönlichkeitsmerkmale sind. Die Ergebnisse offenbarten, dass sich Gegensätze offensichtlich nicht anziehen, sondern eine Beziehung und Ehe dann die besten Überlebenschancen aufweist, wenn Partner viele persönlichkeitsbezogene Gemeinsamkeiten aufweisen.

Intro

Zahlreiche Studien beschäftigten sich mit der Frage, ob Menschen dazu neigen Partner auszuwählen, die ihnen selbst ähnlich sind. Die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen zeigten, dass sich Partner tatsächlich hinsichtlich diverser sozialer und psychologischer Eigenschaften ähneln. Gemeinsamkeiten von Ehepartnern konnten in Bezug auf das Alter, körperliche Merkmale, Attraktivität, IQ, Bildungsgrad, Religion, Gesellschaftsschicht und psychopathologische Merkmale betreffend, festgestellt werden. Auch bei Persönlichkeitsmerkmalen konnten bis zu einem gewissen Grad Übereinstimmungen zwischen Partnern aufgefunden werden, die Ergebnisse diesbezüglich sind aber relativ gemischt und inkonsistent. Dies veranlasste deutsche Forscher dazu, Gemeinsamkeiten von verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen bei heterosexuellen Ehepaaren und Pärchen noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Panel und Big Five

Für die Untersuchung wurden Daten des German Socio- Economic Panel (SOEP) herangezogen. German SOEP ist eine nationale Längsschnittuntersuchung von Personen und privaten Haushalten der deutschen Bevölkerung. Der Untersuchungszeitraum belief sich auf insgesamt 23 Jahre (1984-2006)  und die Teilnehmerzahl auf 22.000 Personen. Für die aktuelle Studie, zur Untersuchung von Pärchen, wurden Daten des SOEP aus dem Jahr 2005 (von Februar bis Oktober) verwendet und ausgewertet. Die Stichprobe umfasste schließlich 6.904 Paare, von denen der Großteil, nämlich 6.157 verheiratet waren, 11 Prozent davon zum zweiten Mal. Die übrigen 747 unverheirateten Paare lebten in einem Haushalt zusammen. Männliche Teilnehmer waren zwischen 19 und 95 Jahren alt, weibliche zwischen 18 und 91 Jahren. Um Gemeinsamkeiten in der Persönlichkeit von Paaren zu eruieren, zog man die Daten des im SOEP verwendeten Fünf-Faktoren-Modells, oder den sogenannten Big Five heran. Die Big Five stellen ein Modell der Persönlichkeitspsychologie dar, bei dem fünf weitgehend stabile und kulturunabhängige Persönlichkeitsmerkmale postuliert werden. Diese fünf Eigenschaften sind: Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Die Ausprägung der Faktoren kann man sich als Kontinuum mit einem „positiven und negativen Pol“ der jeweiligen Eigenschaft vorstellen: Auf der einen Seite steht also zum Beispiel emotionale Stabilität, auf der anderen Seite Neurotizismus, niedrige Extraversionswerte sprechen für eine eher introvertierte Persönlichkeit. Die Persönlichkeitsmerkmale wurden mittels Fragebögen erhoben und die Teilnehmer erhielten als Dankeschön ein kleines Geschenk und Lotterielose. 

Volksweisheiten

Volksweisheiten sind die kleine Alltagspsychologie und beinhalten, für gewöhnlich, ein Quantum Wahrheit. Das Sprichwort „Gleich und Gleich gesellt sich gern, konnte mittels dieser Studie wissenschaftlich unterlegt werden, zumindest was bestimmte Charaktereigenschaften anbelangt. Von den fünf Persönlichkeitsmerkmalen der Big Five, wurden bei Paaren die stärksten Übereinstimmungen bei den beiden Eigenschaften Gewissenhaftigkeit und Offenheit für neue Erfahrungen vorgefunden. Es scheinen also Partner ausgewählt zu werden, die ähnliche Vorstellungen von Pflichtbewusstsein, Verantwortung, oder Zuverlässigkeit haben. Und offensichtlich sollte der Lebenspartner auch ähnlich konventionell und konservativ eingestellt sein und mehr oder weniger experimentierfreudig. So wäre es beispielsweise von Vorteil wenn beide Partner Freude daran hätten neue, exotische Speisen auszutesten, oder aber auch beide lieber an Altbewährtem, wie etwa an Hausmannskost festhielten. Auch beim Persönlichkeitsmerkmal Verträglichkeit gibt es Gemeinsamkeiten. Personen wählen einen Partner aus, der ähnlich nett, hilfsbereit und harmoniebedürftig, oder ähnlich egozentrisch und misstrauisch anderen Personen gegenüber ist. Für die beiden Variablen Extraversion und emotionale Stabilität konnten hingegen kaum bzw. keine Übereinstimmungen ausgemacht werden. Geselligen und gesprächigen Personen ist es offenbar weniger wichtig, ob der Partner ebenso offen auf andere Menschen zugeht. Und für sensible und ängstliche Personen scheint es nicht von großer Bedeutung zu sein, ob der Partner ebenfalls eher unsicher, oder eher sorglos und zuversichtlich ist. Die Ergebnisse stimmen mit Befunden aus den 1980er Jahren überein und zeigen, warum in vorhergehenden Studien kaum Persönlichkeitsübereinstimmungen zwischen Partnern aufgefunden werden konnten. In den 80ern waren Extraversion und emotionale Stabilität die am häufigsten untersuchten Persönlichkeitseigenschaften. Für diese beiden Faktoren konnten in der aktuellen Studie ebenfalls keine Gemeinsamkeiten festgestellt werden. Erst in späteren Untersuchungen berücksichtigte man alle „Big Five“ und konnte Effekte feststellen, wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie in dieser Studie.

Überlebenschancen

Forscher stellten sich ebenfalls die Frage, inwieweit charakterliche Ähnlichkeiten zwischen Paaren von der Ehedauer abhängen. Erfolgt die Partnerwahl aufgrund bestimmter persönlichkeitsbezogener Gemeinsamkeiten, oder ist es vielmehr so, dass sich Paare im Laufe der Jahre einander charakterlich annähern? Um dieser Forschungsfrage auf den Grund zu gehen, wurden die Ehepaare bzw. Pärchen, je nach Ehedauer in 8 Gruppen eingeteilt: Ehedauer von 0-5 Jahren, 6-10 Jahren, 10-15 Jahren, 16-20 Jahren, 21-25 Jahren, 26-30 Jahren, 31-40 Jahren und länger als 40 Jahre. Anschließend wurden die Gruppierungen miteinander verglichen. Über alle 8 Gruppen hinweg, fand man die stärksten Übereinstimmungen bei den Eigenschaften Gewissenhaftigkeit und Offenheit und in etwas schwächerer Ausprägung beim Faktor Verträglichkeit. Diese drei charakterlichen Gemeinsamkeiten stiegen mit der Dauer der Ehe an. Je länger Ehepaare also verheiratet sind, umso ähnlicher sind sie einander hinsichtlich Pflichtbewusstsein, Offenheit für Neues und Freundlichkeit. Für Extraversion und emotionale Stabilität wurden auch nach der Gruppeneinteilung und in Abhängigkeit von den Ehejahren, kaum Gemeinsamkeiten festgestellt. Die Vermutung, dass sich Paare im Laufe der Jahre einander charakterlich annähern, ist eher unwahrscheinlich. Denn bei den Persönlichkeitsmerkmalen der Big Five handelt es sich um relativ stabile Faktoren. Das heißt, dass die Faktoren nicht nur kulturunabhängig, sondern auch relativ resistent gegenüber Veränderungen sind. Partner werden im Laufe der Jahre einander also nicht ähnlicher, sondern vielmehr haben jene Partnerschaften gute Überlebenschancen, die von Anfang an Gemeinsamkeiten in entscheidenden Persönlichkeitsbereichen aufweisen - Beziehungsweise beschreiben es die Autoren der Studie folgendermaßen: „Only the congruent survive“, was soviel heißt wie „ Nur diejenigen, die einander ähnlich sind, überleben.

Zufriedenheitsbarometer und Trennungsmotive

In einer Untersuchung zu romantischen Paarbeziehungen wurde die Hypothese aufgestellt, dass persönliche Übereinstimmungen zwischen Partnern zu einer höheren Zufriedenheit in der Partnerschaft führen und dies wiederum zu einer längeren Ehedauer. Dass Ehen umso länger halten, je ähnlicher die Partner einander hinsichtlich bestimmter Merkmale sind, konnte mittels der aktuellen Studie bestätigt werden. Partner die wenig gemeinsam haben, sind möglicherweise unzufriedener in ihrer Beziehung und dies trägt vermutlich dazu bei, dass sie sich eher wieder voneinander trennen. Somit leisten die Untersuchungsergebnisse möglicherweise auch einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis der steigenden Scheidungsraten, die in Deutschland in den letzten Jahren, Spitzen von über 50 Prozent erreicht haben.

Quelle: Elsevier 

 

Unser Kommentar: Einerseits findet man bei der Partnerwahl scheinbar jene Personen sympathisch und ansprechend, die einem selbst ähnlich sind. Auf der anderen Seite gilt dies laut Studie nicht für alle Persönlichkeitseigenschaften, wie für Extraversion und emotionale Stabilität. Möglicherweise werden auch jene Charaktermerkmale beim Partner als faszinierend und ansprechend erlebt, die selbst in einem schlummern, aber nicht entsprechend ausgelebt, oder zurückgehalten werden. So könnte ein äußerst sanftmütiger und ewig hilfsbreiter Mensch, einen sehr impulsiven und aufbrausenden Partner auswählen, der sich nichts gefallen lässt. Eine introvertierte Person, die sozialen Kontakten eher aus dem Weg geht, sucht möglicherweise kompensatorisch nach einem geselligeren Partner. Beziehungsweise schreien manche Charaktereigenschaften förmlich nach Gegensätzlichkeit: Eine emotional labile und unsichere Person benötigt vielleicht einen „Fels in der Brandung“, der  gegebenenfalls Halt und Sicherheit bietet. Höchstwahrscheinlich wäre es häufig auch eher kontraproduktiv, wenn zwei Gleichgesinnte aufeinanderträfen: Bei zwei jähzornigen Menschen flögen dann ständig die Fetzen, bei zwei sturen Personen gäbe nie einer nach und zwei zurückgezogene Pessimisten würden die Welt von zu Hause aus verfluchen und abendfüllende Debatten um die Ungerechtigkeit der Menschheit führen. Nicht umsonst existieren zwei einander entgegengesetzte Volksweisheiten, die beide Gültigkeit zu haben scheinen. Also „ziehen Gegensätze einander vermutlich an“ und „Gleich und Gleich gesellt sich auch gerne“, je nachdem welche charakterlichen Eigenschaften man gerade betrachtet.



Literaturtipps:

Mathias Jung, Andrea Montermann: Das Geheimnis der Partnerwahl: Warum wir uns suchen und finden. Vom Glück und Scheitern in der Liebe. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Wolfgang Hantel-Quitmann: Der Geheimplan der Liebe: Zur Psychologie der Partnerwahl. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Karin Grossmann, Klaus E. Grossmann: Bindungen - das Gefüge psychischer Sicherheit. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Manfred Hassebrauck, Beate Küpper: Warum wir aufeinander fliegen: Die Gesetze der Partnerwahl. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!



 


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