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Armut kann Ihre Gesundheit gefährden!

 

Arme sind doppelt so oft krank wie Nicht-Arme. Die sogenannte Managerkrankheit mit Bluthochdruck und Infarktrisiko tritt bei Armen 3mal häufiger als bei Managern auf. Die enorme Stressbelastung unter prekären Lebensbedingungen macht krank. Finanzielle Not, Arbeitslosigkeit, schlechte Wohnverhältnisse können das Leben verkürzen.

 

Die empirischen Daten scheinen die Volksweisheit zu bestätigen: "Lieber reich und g´sund als arm und krank". Zahlen über die Sterblichkeit in Österreich zeigen uns auf die Spitze getrieben die Ungleichheit vor dem Tod: Wer geringes Einkommen und geringe Bildung hat, stirbt durchschnittlich früher als diejenigen mit höherem Einkommen und höherer Bildung.

Arme haben aber nicht nur eine geringere Lebenserwartung, sie haben im Alter auch weniger von Behinderung freie Jahre in Gesundheit zu erwarten. Männer und Frauen "unten" sind im Durchschnitt 2,2 bzw. 2,8 Jahre gesundheitlich so sehr eingeschränkt, dass sie in ihren lebensnotwendigen Tätigkeiten auf fremde Hilfe angewiesen sind, wohingegen Männer und Frauen "oben" im Durchschnitt nur 0,8 bzw. 1,3 Jahre pflegebedürftig sind. Das selbe Bild rund um die Geburt: Die Säuglingssterblichkeit ist "unten" höher als "oben". Der soziale Schichtgradient, der den Untersuchungen zugrundeliegt, wird aus Einkommen, Bildung und beruflicher Status gebildet.

Je geringer das Einkommen, desto höher die Krankheiten

Kinder in armen Haushalten neigen zu Übergewicht: auf den Tisch kommen vorwiegend süße, sättigende Speisen und fettreiche Fertiggerichte. Ein skurriles Bild: die Armen sind fett, die Reichen sind mager. Bei Neunjährigen aus armen Familien sind durchschnittlich 5 Zähne gefault. Bei Kindern (11-13jährige) von Erwerbslosen und SozialhilfeempfängerInnen treten überproportional asthmatische Erscheinungen und Kopfschmerzen auf. Die Atemwegserkrankungen führen oft von feuchten Wohnungen her.

Teilt man die Gesellschaft in drei soziale Schichten, treten bei Kindern in der unteren Schicht mehr Kopfschmerzen, Nervosität, Schlafstörungen und Einsamkeit auf. So konnte in allen Industrieländern festgestellt werden , dass mit fallendem Durchschnittseinkommen der Bevölkerung die Krankheiten ansteigen, dass in nahezu allen Gesellschaften die untersten Sozialschichten die häufigsten und die schwersten Erkrankungen haben und dass mit dem Abfall der Einkommen die Lebenserwartung deutlich sinkt.

Arme Kinder von heute sind die chronisch Kranken von morgen

Kinder werden in die Schule geschickt, auch wenn sie krank sind. Alleinerzieherinnen fürchten Arbeitsplatzverlust bei häufigem Fehlen bzw. Pflegeurlaub. Erwachsene aus dem unteren Einkommenssegment gehen erst bei extremer Not zum Arzt.. Der muss die Krankheit möglichst rasch beseitigen, damit der Körper wieder funktioniert. Arme treffen kaum Vorsorge, erwarten sich schnelle Heilung von "außen". Der Körper ist eine Arbeitsmaschine zur Bewältigung des stressbelasteten und prekären Alltags. Dazu kommt die Scham, die eigene Armutssituation zu zeigen. Deshalb wird Hilfe auch erst so spät in Anspruch genommen. "Ich schaffe das allein, auch wenn es nicht mehr geht". Wenn das eigene Ansehen bedroht ist, fühlen wir Scham. Von finanzieller Not Bedrohte versuchen so lange wie möglich die Normalität aufrechtzuerhalten. Das ist eine große Streßbelastung.

 

4 Faktoren, die zu den Ungleichheiten vor Krankheit und Tod führen:

1. Unterschiede in den gesundheitlichen Belastungen

Ärmere Menschen sind im Bereich Arbeits- und Wohnumwelt stärkeren Belastungen ausgesetzt, die sich direkt auf den Gesundheitszustand der Betroffenen auswirken

2. Unterschiede in den Bewältigungsressourcen

Geringere Bildung, damit einhergehend geringere Information über Gesundheitsmaßnahmen bzw. präventive Verhaltensweisen (Ernährung); geringere Organisationsfähigkeit, Therapieanweisungen werden teilweise nicht verstanden

3. Unterschiede in der gesundheitlichen Versorgung

Wenig Gesundheitsaufklärung speziell für sozial Schwache, damit zusammenhängend wiederum weniger Information, Wissen über Risikofaktoren, Sensibilität und geringere Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen und -programmen

4. Unterschiede im Gesundheits- und Krankheitsverhalten

Das eine bedingt das andere. Streß durch finanziellen Druck und schlechte Wohnverhältnissen gehen Hand in Hand mit einem geschwächten Krisenmanagement, verbinden sich mit mangelnder Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten und einem ungesunden Lebensstil.

Der frühere Tod Armer ist jedenfalls vermeidbar, wenn an den vier Faktoren angesetzt wird: Die Gesundheitsdienste müssen den Zugang, die Inanspruchnahme und die Qualität unabhängig von Einkommen und Herkunft gewährleisten. Die Ärmeren müssen in ihren Selbsthilfepotentialen und Ressourcen gestärkt werden, was auch Auswirkungen auf einen gesünderen Lebensstil hat. Und sozialer Polarisierung können wir entgegentreten. Die Daten sprechen für sich: Gerechtigkeit und Fairness sind keine schlechte Medizin.

Quelle: Armutskonferenz

 

Unser Kommentar: "Wenn du arm bist, mußt du früher sterben" - diese Erkenntnis aus der Zeit des Klassenkampfes gilt offenbar teilweise auch heute noch. Und was für körperliche Erkrankungen gilt, gilt für psychische Erkrankungen in noch viel höherem Maße: "Unterschicht"patienten organisieren ihre Probleme selten psychisch, sondern tendieren dazu, ihre Konflikte in körperliche Beschwerden einzukleiden. Die Wahrscheinlichkeit für eine frühe, adäquate Behandlung wird dadurch geringer, es werden mehrere Stationen durchlaufen, bis es zu psychologischen oder psychotherapeutischen Interventionen kommt. Ob da die Einführung eines Selbstbehaltes für Arzt- und Krankenhausbesuche der richtige gesundheitspolitische Weg ist, darf bezweifelt werden. Eine aktuelle Studie im Auftrag des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger (siehe "Standard" vom 20.5.2003) äußert ebenfalls "starke Zweifel an der Sinnhaftigkeit von generellen Selbstbehalten" und belegt, dass "die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen mit steigenden Selbstbehalten sinkt" und dass Selbstbehalte "insbesondere für Bezieher niedrigerer Einkommen nachteilige Folgen und Mehrkosten nach sich (ziehen)" sowie dass Selbstbehalte für das untere Einkommensviertel mit einem um zehn Prozent höherem Sterblichkeitsrisiko verbunden seien. Auch ökonomisch seien die Selbstbehalte kein Erfolg, weil die Einsparungen durch die nachfolgenden Mehrausgaben mehr als kompensiert werden. Noch Fragen.....?

Zentrum Rodaun/Dr. G. Kral


Links:

Trotz Krankheit in die Arbeit: Eine bisher unveröffentlichte Studie des Sozialministeriums. "Soziale Ungleichheit und Gesundheit", ÖBIG 2001 http://armut.at/wissen/wissen_gesundheit_oebig.html

Studie "Gesellschaftliche Grundlagen der Gesundheit und politische Folgerungen - über Hauptresultate der Sozial-Epidemiologie und Sozialmedizin" von Willibald-Julius Stronegger: http://www.uni-graz.at/ismwww/mitarbeiter/stron/gesges.pdf

Weitere Informationen zu diesem Themenbereich finden Sie in unserem Beiträgen

Ungleichheit essen Lebenserwartung auf

Jugendliche leiden unter beruflichen Ängsten und gesundheitlichen Problemen

 


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