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Barbie forever

von Simone Georgieva

 

Ästhetik, Schönheit, und der Wunsch vorgegebenen Idealen zu entsprechen, aber auch nach Individualität scheinen in unserer Gesellschaft mehr und mehr an Bedeutung zu gewinnen. Der Körper wird zunehmend zum Instrument der Selbstdarstellung. Bereits Kinder und Jugendliche folgen Schönheitstrends und sehnen sich nach einem makellosen, oder auch außergewöhnlichen Erscheinungsbild

 

Schönheitstrends obliegen dem Wandel der Zeit und verändern sich stetig. Vorgegebene Ideale werden zunehmend unerreichbarer und schönheitsbewusste Menschen betreiben viel Aufwand, um genormten Idealen zu entsprechen und dem Traum vom Traumkörper näher zu sein. Zunehmend begeistert sich auch ein immer jünger werdendes Publikum für Schönheitstrends. Radikaldiäten oder Schöheitsoperationen sind aktuell auch bei Kindern und Teenagern ein wichtiges Thema. Auf der einen Seite besteht der Wunsch Idealen zu entsprechen und Uniformität verfolgt. Auf der anderen Seite besteht aber auch der Wunsch sich von der breiten Masse abzuheben. Um anders zu sein werden teilweise radikale Maßnahmen, wie z.B. eine Tätowierung des Augapfels ergriffen. Schönheitstrends spiegeln auch immer den aktuellen Zeitgeist wider: Charakter und Persönlichkeit eines Menschen scheinen in den Hintergrund zu rücken, die Selbstdarstellung und der Körper als Instrument zur Selbstpräsentation in den Vordergrund. Bleibt zu hoffen, dass der Wandel der Zeit eine „Hinentwicklung“ zu anderen, weniger oberflächlichen Werten mit sich bringt.

 Superslim

Zu Rubens’ Zeiten kamen die damals vorherrschenden Schönheitsideale der Lust am Essen entgegen: Weibliche Formen und Rundungen waren erwünscht.  Die gegenwärtige Vorstellung von Schönheit entspricht eher einem androgynen Frauentyp: Fast knabenhaft schlanke Körper und Hüften gelten als schön und attraktiv. Sämtliche Medien übermitteln dieses Stereotyp von Schönheit nachhaltig. Folglich empfinden sich vor allem immer jüngere Mädchen als zu dick und jedes zweite Mädchen im Alter von 13 oder 14 Jahren hat bereits eine Diät hinter sich. Laut Erfahrungsberichten von „S O Ess“, einer Essstörungshotline in Wien, werden die Anrufer nicht nur immer jünger, sondern die Vorstellungen um das eigene Körperbildnis immer verzerrter: „Da rufen Mädchen an mit Kleidergröße 36, die sich zu fett finden." Generell empfinden sich deutlich mehr Mädchen als zu dick, als dies bei Jungen der Fall ist. Die Tendenz bei Burschen und jungen Männern ist jedoch ebenfalls steigend und auch junge Männer sind zunehmend von Essstörungen betroffen.

Wer schön sein will, muss leiden

Um schön zu sein, werden von einer immer breiteren Masse kostenintensive, schmerzhafte operative Eingriffe in Kauf genommen. In Deutschland unterziehen sich jährlich etwa eine Million Menschen einer Schönheitsoperation. In Österreich liegt die Zahl derer, die der Natur etwas „nachhelfen“ zwischen 70.000 und 80.000 Personen, zwischen 85 und 90 Prozent davon sind Frauen. Jede vierte Österreicherin kann sich einen kosmetischen Eingriff vorstellen, aber auch bei Männern steigt die Bereitschaft sich unters Messer zu legen. In Österreich und Deutschland sind immerhin 15 Prozent der Klienten beim Schönheitschirurgen Männer. Großer Beliebtheit bei den Eingriffen erfreuen sich vor allem Nasenkorrekturen (18%), Brustoperationen (15%), Fettabsaugungen (16%),  Faltenbehandlung (28%) und Gesichtsstraffungen (26%). Für längere Beine wird auch nicht vor Unterschenkelbrüchen und langwierigen Verlängerungsprozeduren zurückgeschreckt. Immer mehr Frauen interessieren sich für Korrekturen im Intimbereich. Gewünscht werden dabei z.B. eine Verkleinerung der  inneren Schamlippen, oder eine Auspolsterung der äußeren Labien, um den Vaginalbereich mädchenhafter erscheinen zu lassen.

Das Interesse an Schönheitsoperationen beschränkt sich aber nicht nur auf Erwachsene. Kosmetische Eingriffe finden verstärkt bei immer jünger werdenden Patienten Anklang. In den USA können sich 60 Prozent der Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 24 Jahren eine Schönheitsoperation vorstellen, und jede fünfte Collegestudentin hat bereits einen Eingriff hinter sich. Eine Nasenkorrektur oder Brustvergrößerungen zu Weihnachten sind in Amerika längst keine atypschen Geschenke mehr. Häufig gehen auch Mutter und Tochter gemeinschaftlich zum plastischen Chirurgen. In Deutschland wünscht sich bereits jedes fünfte Kind zwischen 9 und 14 Jahren zu einem späteren Zeitpunkt eine schönheitskorrektive Maßnahme. Jährlich lassen sich in Deutschland etwa 100.000 Jugendliche unter 18 Jahren die Nase korrigieren, oder die Brüste vergrößern. Manche Ärzte schrecken scheinbar auch nicht davor zurück, 12 bis 13jährigen Mädchen Brustimplantate einzusetzen. Da der Körper sich noch im Wachstum befindet können sich schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen ergeben.

Haarige Angelegenheiten

Dem Schönheitstrend zu folgen äußert sich nicht nur in massiveren Eingriffen, wie etwa Schönheitsoperationen,  sondern spiegelt sich bei vielen Menschen in anderer Form wider. Da helfen Männer dem Muskelwachstum mit Anabolika auf die Sprünge, Falten wird mit Gift der Garaus gemacht und SchauspielerInnen, deren wichtigstes Instrument eigentlich ihre Mimik ist, haben festgefrorene Gesichtszüge. Frauen quälen ihre Füße mit Stöckelschuhen, um die Beine länger erscheinen zu lassen und ein schönes Bein kommt auch offensichtlich nur dann optimal zur Geltung, wenn es glatt und haarlos ist.

Generell scheinen Körperhaare seit geraumer Zeit entgegen dem allgemeinen ästhetischen Empfinden zu stehen. So wird viel Aufwand betrieben, um den gängigen gesellschaftlichen Normen von „Haarigkeit“ zu entsprechen. Da wird rasiert, epiliert, getrimmt und geharzt um die Beine vorzeigbar glatt zu gestalten und die Bikiniregion zur haarlosen Zone zu erklären. Auch Brust- und Rückenhaare gelten nicht mehr als männlich, sondern werden vor allem beim jüngeren Publikum als unschön und abstoßend empfunden. Entsprechend entfernen laut einer Leipziger Studie an Studenten, mehr als 97 Prozent der Frauen und 79 Prozent der Männer zumindest in einer Körperregion regelmäßig ihre Körperbehaarung, wobei die Bartrasur bei Männern nicht berücksichtigt wurde. Frauen rasieren, epilieren, oder trimmen vor allem die Achselhöhlen, die Beine, den Genitalbereich, oder die Augenbrauen. Männer rasieren die Achselbehaarung, den Genitalbereich, oder den Oberkörper. Mittels Lasermethodik besteht mittlerweile auch die Möglichkeit lästigen Körperhaaren dauerhaft den Garaus zu machen. Als Gründe für die Bekämpfung der  Körperhaare werden individuelle Attraktivität und gesellschaftliche Normativität genannt.

Selbstdarstellung

Persönlichkeit und Charakter eines Menschen scheinen zunehmend in den Hintergrund zu treten. Was zählt, ist die Selbstpräsentation und das Image. Der Körper dient als Mittel und Instrumentarium zur Selbstdarstellung. Auf der einen Seite soll gängigen Normen und Idealen entsprochen werden und diesbezüglich wird Uniformität verfolgt. Auf der anderen Seite möchte man sich von der breiten Masse abheben und besonders und individuell sein, oder auch gegen bestehende Normen revoltieren. Tattoos und Piercings sind mittlerweile unabhängig von der sozialen Schicht keine außergewöhnliche Maßnahme mehr, um den Körper zu verzieren. Sie dienen nicht nur als Körperschmuck, sondern sind auch als Ausdruck von Individualität zu verstehen. Die Körperpartien, die sich für eine Verzierung mittels Piercing anbieten, sind sehr vielfältig: Ohren, Nase, Lippen, Augenbrauen, Zunge, Bauchnabel, Intimbereich,… Etwas ungewöhnlicher sind zumindest in unserer Kultur, Ohrläppchen, die durch Dehnspiralen in übermäßig ausgeweitete Löcher verwandelt werden. Auch bei Tattoos gibt es verschiedenste Varianten: große und  kleine Tattoos, Tätowierungen an unauffälligen Körperstellen, oder an augenscheinlichen Bereichen, wie etwa im Gesicht, Ganzkörpertätowierungen, oder eine bedenkliche und in jedem Fall besondere „Tattoo- Hardcoreversion“, bei der mittels einer Nadel Farbe in den Augapfel injiziert wird. Auch der Trend für Tattoos und Piercings setzt sich bei einer immer jünger werdenden Bevölkerungsschicht durch. Nicht nur Teenager finden Gefallen an dieser Form des Körperschmucks, sondern auch bei Volkschülern ist dieser Trend bereits verbreitet. Der Berufsverband Deutscher Kinderärzte warnt vor Komplikationen, die bei 20 Prozent der jungen Klienten auftreten. Generell steigt die Zahl der Entzündungen infolge von Tattoos und Piercings, die einer medizinischen Versorgung bedürfen und die möglichen Folgen für massive Eingriffe, wie Augapfeltattoos sind nicht absehbar.

Gründe für den Schönheitshype

Warum wird ein derart immenser Aufwand betrieben und weshalb werden kostenintensive und schmerzhafte Eingriffe in Kauf genommen, um schön und attraktiv zu sein? Ein entscheidender Faktor für das zunehmende Interesse an Schönheit, ist dem Einfluss der Medien zuzuschreiben. Verschiedene Magazine und TV- Serien, wie z.B. „Germany`s next Topmodel“ geben Trends für das perfekte Aussehen vor. Nahezu die Hälfte befragter Frauen gibt als Grund für einen operativen Eingriff den Einfluss durch Medien an.

Die Einflussnahme der Medien scheint sich auch in der vermehrten Akzeptanz gegenüber kosmetischen Eingriffen vor allem bei der jüngeren Gesellschaftsschicht widerzuspiegeln. Aus einer aktuellen deutschen Studie geht hervor, dass Personen zwischen 18 und 30 Jahren am häufigsten schönheitskorrektive Maßnahmen ergreifen. 34 Prozent der Schönheits-Patienten gehören dieser Altersklasse an. Und Schönheitsoperationen sind nicht mehr nur reichen Menschen vorbehalten, sondern sind auch für weniger gut verdienende Personen erschwinglich. So bieten verschiedene Länder, wie etwa  Tschechien, Ungarn, Südafrika, oder Thailand immer günstiger werdende Operationsreisen an. Auch Banken reagieren auf diesen Trend. Dem Vorbild amerikanischer Banken folgend, vorfinanzieren auch zunehmend mehr europäische Banken Schönheitsoperationen und der Markt floriert.

Schönheit als Glücksformel

Eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat ihren Fokus nicht auf die Verfolgung von Schönheitsidealen gelegt, sondern untersucht, inwieweit Jugendliche im Alter von 14 - 17 Jahren ihren Körper akzeptieren und mögen. 62 Prozent der befragten Burschen und immerhin 46 Prozent der Mädchen geben an, sich im eigenen Körper wohl zu fühlen. Trotzdem die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper für beide Geschlechter von Bedeutung ist, lehnen 72 Prozent der befragten Burschen und die Hälfte der Mädchen schönheitsoperative Eingriffe entschieden ab.

Ein wichtiges Ergebnis der Studie zeigt auch, dass für ein positives Körperempfinden ein gutes Vertrauensverhältnis zu den Eltern entscheidend ist. Bei der Betrachtung der Ergebnisse lässt sich aber dennoch wiederum ableiten: Selbst wenn methodisch versucht wird, das Pferd von hinten aufzuzäumen und die Zufriedenheit mit dem eigenen Körper in den Vordergrund gerückt wird, scheinen die Zahlen derer, die sich in ihrem Körper nicht ganz so „pudelwohl“ fühlen, letztlich dennoch für sich zu sprechen.

Der zunehmende Schönheitstrend bleibt Thema und mit einem attraktiven Erscheinungsbild werden auch viele andere positive Eigenschaften assoziiert. Viele Jugendliche setzen perfektes Aussehen mit Glück und Erfolg gleich. Betroffene machen ihr Glück vom vermeintlich perfekten Körper abhängig und sind der Überzeugung, "dass damit auch soziale Probleme gelöst werden“, so die Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely. Fakt ist, dass diese Vorstellung gar nicht abwegig ist und in unserer Gesellschaft tatsächlich attraktive Menschen positiver bewertet werden. Ilona Kickbusch, die Gesundheitsberaterin des Bundesamts für Gesundheit der Schweiz äußert sich diesbezüglich folgendermaßen: „Wir sollen da keine Illusionen haben: In unserer Gesellschaft bekommen schöne Leute leichter eine Stelle, einen Partner und sind sozial besser akzeptiert“.

Quelle: FGÖ, medaustria, ORF, Die Presse



Unser Kommentar:
Die Vorstellung von Schönheit bewegt sich scheinbar immer weiter von natürlichem Aussehen weg. Der aktuelle Schönheitstrend scheint sich vielmehr an Schaufensterpuppen, als an echten Menschen zu orientieren: haarlos, faltenlos und makellos, einfach perfekt, scheint die Devise zu lauten.  Ewig jung soll man bleiben und für das Altern bleibt kaum Raum. Die Medien, die die Trends vorgeben, schaffen unerreichbare Ziele und Wünsche. Unbefriedigte Wünsche schreien nach deren Erfüllung und der Markt und die Wirtschaft freuen sich. Es wird mit vielfältigsten und viel versprechenden, oftmals überteuerten Produkten und Methoden geworben, die garantieren, dem Traum von Perfektion näher zu kommen und auch so auszusehen, wie das Model auf Seite 39 im letzten Modeheft. Selbst wenn sich der Käufer vielleicht darüber im Klaren ist, dass auch die 65. Antifaltencreme vermutlich genauso wirksam sein wird, wie das Vorläufermodell, so stirbt die Hoffnung doch zuletzt. Mittlerweile ist der Schönheitsmarkt bereits etwas übersättigt, aber Werbeleute werden nicht müde, sich immer neue Marketingstrategien einfallen zu lassen.  So gehen manche Konzerne z.B. nicht mehr gegen das Altern vor, sondern werben neuerdings mit „Proage- Produkten“. Der Schönheitsmarkt boomt und besonders das gestiegene Interesse von Kindern und Jugendlichen an der Schönheit macht die Wirtschaft glücklich, da diese Zielgruppe ein besonders begeisterungsfähiges Publikum darstellt - siehe die diversen "next-top-model" - Shows. Auf ein gepflegtes Äußeres zu achten ist zweifelsohne wünschenswert und ein kleines bisschen eitel ist wohl jeder Mensch. Aber übertriebene Energien aufzuwenden, um nicht erreichbaren Ideale hinterherzujagen, kann auf Dauer nicht glücklich machen - dass zu viel Eitelkeit ungesund ist, lehrt uns schon die griechische Mythologie: Der Sage nach verliebte sich der schöne Narziss in sein eigenes Spiegelbild und ertrinkt beim Versuch, sich mit seinem Abbild zu vereinigen.

Simone Georgieva/Zentrum Rodaun

 

Literaturtipps:

Andrea Hauner, Elke Reichart: Body- Talk: Der neue Kult um Körper und Schönheit. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Werner L. Mang, Ulrich Strunz: Schönheit maßgeschneidert - Alles über Schönheitsoperationen. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Regina Gasper, Harald Gasper: Herrlich hässlich! Warum die Welt nicht den Schönen gehört. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Ulrich Renz: Schönheit: Eine Wissenschaft für sich. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!



Weitere Informationen zu diesem Themenbereich
finden Sie in unserem Beitrag

Zum Sterben schön


 


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