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Mobbing 2.0 - the next big thing?

von Simone Georgieva

 

Lehrer sind von jeher ein beliebtes Zielobjekt für verschiedenste mehr oder weniger kreative und mehr oder weniger harmlose Formen von Schülerstreichen und auch zwischen Schülern greift das „Phänomen Mobbing“ in „regelmäßiger Manier“ von Generation zu Generation um sich. Trotz wahrscheinlich unveränderter Motive entsprechen „Schülerstreiche“ von gestern nicht dem „Mobbing“ von heute. Mobbing hat das digitale Zeitalter erreicht und aufgrund von nachrichtentechnischen Neuerungen wie Email, Mobiltelefon, oder Internet ergeben sich vollkommen neue Möglichkeiten ungeliebten Lehrern oder Klassenkameraden das Leben schwer zu machen. 

 

Das UMG-Institut setzte sich mit der Thematik Cybermobbing auseinander und führte eine bundesweite Onlinebefragung von Mitgliedern der deutschen GEW -Bildungsgewerkschaft an Schulen durch. Ziel der Studie war es primär zu ermitteln inwieweit Lehrer und Schüler selbst bereits zum Opfer von „Cybermobbing-Übergriffen“ wurden, bzw. ob die Befragten betroffene Personen aus ihrem Umfeld kennen. Von einer repräsentativen Stichprobe aus 488 Personen berichteten 8%, also 39 Personen, bereits selbst zum Opfer geworden zu sein und 30,7 % gaben an, jemanden zu kennen, der schon betroffen war. Neben der Erhebung der Anzahl an Betroffenen war ein weiteres Anliegen der Studie auf Fragestellungen wie: Wer sind die Täter, welche Auswirkungen ergeben sich für Opfer, bezw. was kann man konkret gegen derartige Übergriffe tun, einzugehen.

Was ist Cybermobbing?

Cyber-Mobbing oder auch "Cyberbullying"  bedient sich im Allgemeinen moderner Kommunikationsmittel, um anderen Personen Schaden zuzufügen. Opfer werden z.B. im Internet durch Bild- oder Videoveröffentlichungen bloßgestellt,  mittels E-Mails oder via SMS belästigt oder bedroht, es werden Inhalte in Chatrooms diskutiert, Unwahrheiten verbreitet usw.  Die GEW- Studie zeigte auf, dass eine Belästigung häufig durch Textnachrichten via Mobiltelefon (28,2%), Internet (20,5%) oder E-Mail (15,4%) erfolgte. Betroffene erhielten z.B. E-mails, in denen sie verspottet oder beschimpft wurden, aber auch die Ankündigung von Gewalttaten oder sogar Morddrohungen bildeten keine Ausnahme.15,4 Prozent berichteten, dass Bilder, Fotos oder Videos per Mobiltelefon verbreitet wurden, bzw bei 12,8 Prozent  im Internet publik gemacht wurden. Besonders großer Beliebtheit scheint sich die Veröffentlichung von Handyaufnahmen von Lehrern oder Schülern zu erfreuen. Beispielsweise gab es Aufnahmen, in denen einem Lehrer ein Kübel Wasser über den Kopf geleert wurde, oder ein Lehrer auf einen angesägten Stuhl zusammenbrach. Aber auch private Videoaufnahmen sind von der Veröffentlichung nicht ausgenommen und beschämten Betroffene teilweise dermaßen, dass diese sich nicht mehr zur Schule trauten. In einem besonders dreisten Fall loggten sich Schüler unter dem Namen von Lehrern in einen Sexchat ein.

Meist handelt es sich bei den Vorfällen um isolierte Angriffe - dies sagten 79,5 Prozent der Betroffenen. Trotzdem 31,6 Prozent der  Befragten der Meinung waren , dass konventionelles Mobbing ohne technische Hilfsmittel häufiger vorkommt als Cybermobbing, fühlten sich Betroffene dennoch durch Cybermobbing mehr bedroht als durch offen ausgetragenes Mobbing, da sie sich den im Internet veröffentlichen Informationen hilflos ausgeliefert fühlen.

Eine jüngst durchgeführte US-amerikanische Studie zeigt, dass drei von vier Jugendlichen in den USA innerhalb des letzten Jahres von Online-Mobbing betroffen waren. Wissenschaftler der Universität von Kalifornien (UCLA) in Los Angeles haben das durch eine anonyme webbasierte Untersuchung herausgefunden. 1.454 Jugendliche im Alter von 12 bis 17 haben online einen Fragebogen zum Thema ausgefüllt. Die hohe Zahl der Betroffenen kommt vor allem für viele Eltern überraschend, da diese nur in den seltensten Fällen von derartigen Problemen ihrer Kinder erfahren.

Laut der UCLA-Studie findet der Online-Terror oft in Social Networks wie MySpace oder Facebook statt, wo beispielsweise bloßstellende Fotos oder persönliche Angriffe online gestellt werden. Auch Droh-E-Mails oder -SMS sind keine Seltenheit. Der größte Teil der befragten Jugendlichen, nämlich 41 Prozent, sind pro Jahr ein bis dreimal diesem Phänomen ausgesetzt. 13 Prozent berichten von vier bis sechs Vorfällen pro Jahr und mehr als siebenmal jährlich werden sogar 19 Prozent aller Befragten Opfer von Cyber-Mobbing. An ihre Eltern oder andere Erwachsene wenden sich die Opfer kaum. Nur einer von zehn betroffenen Jugendlichen erzählt davon.

Opfer- versus Täterscreening

Prinzipiell lässt sich relativ schwer sagen wer bevorzugt zum Opfer von Cybermobbing wird. Es gibt nicht das „klassische“ Opfer, das sich bestimmten Kriterien zuordnen lässt, aber es lassen sich zumindest vage Umschreibungen treffen. Frauen scheinen öfter betroffen zu sein als Männer, denn 48,7 Prozent der Befragten gaben, wie bereits erwähnt an jemanden zu kennen der schon gemobbt wurde und 63,2 Prozent davon sind weiblich. Lehrer scheinen zwar häufiger betroffen zu sein als Schüler, aber auch zwischen Schülern dürfte Cyberbullying recht weit verbreitet sein, dies lässt sich anhand der Angaben zu Altersklassen von indirekt Betroffenen, die in der Studie erhoben wurden, sagen: 28,9 Prozent der 31-40 Jährigen, 21,1 Prozent der 41-50 Jährigen und 23,7 Prozent der 11-20 Jährigen wurden bereits zum Opfer. Die Problematik ist besonders an Gymnasien, aber überraschenderweise auch an Grundschulen und Sonder-/Förderschulen anzutreffen.

Der Täter lässt sich etwas klarer umschreiben, als das Opfer. 71,4 Prozent der Täter gehören dem  männlichen Geschlecht an. Cybermobbing wird von Schülern deutlich mehr betrieben als von Lehrern, denn 95,9 Prozent der Täter gehören der Altersklasse von 11 -20 Jahren an. Ab und zu findet auch zwischen Kollegen oder Vorgesetzten Mobbing statt, dies ist aber eher die Ausnahme als die Regel.

Aus der Mücke keinen Elefanten machen???

Ein Problem des Cybermobbings stellt die Tatsache dar, dass Betroffene oftmals nicht ernst genommen werden und seitens der Eltern, Schulleitung, Schulaufsichtsbehörde oder der Polizei nicht angemessen auf derartige Vorfälle reagiert wird. Fakt ist jedoch, dass sich Täter darüber im Klaren sein sollten, dass alle als Mobbing bezeichneten Verhaltensweisen auch strafbar sind und zur Anzeige gebracht werden können. Oftmals sind sich Täter gar nicht um das Ausmaß, wie sehr sie Betroffenen mit ihrem Verhalten schaden können bewusst, bzw. wissen sie auch nicht welche möglichen Konsequenzen sich aus ihrem Verhalten ergeben können.

Dafür, dass Eltern bei diesem Problem nicht die bevorzugten Ansprechpartner sind, haben die Jugendlichen in der UCLA-Studie vor allem zwei Gründe angegeben: Viele waren der Meinung, selbst lernen zu müssen, wie man mit solchen Problemen umgeht. Andere fürchteten sich davor, von ihren Eltern Internetverbot zu bekommen. Vor einer derartigen Reaktion der Eltern warnen die Verfasser der Studie. "Viele Eltern verstehen nicht, wie zentral Internet für das soziale Leben von Jugendlichen ist", erklärt Jaana Juvonen, Leiterin der Studie. Die Professorin für Psychologie rät Eltern vielmehr, mit ihren Kindern über Mobbing zu reden, bevor es passiert.

In der GEW-Studie hat sich herausgestellt, dass sich Befragte an ihren Schulen mehr Aufklärung zum Thema Cyber-Mobbing wünschen, um die Tragweite und auch weit reichende Konsequenzen deutlicher zu machen. 66,7 Prozent der Befragten hielten es auch für sinnvoll einen gemeinsam erarbeiteten Verhaltens-Kodex an ihren Schulen einzuführen um festzulegen, wie ein rücksichtsvolles miteinander Umgehen aussehen sollte. Auf Verstöße gegen gemeinsam vereinbarte Regeln, wie z.B. Handys und Handy-Kameras während des Unterrichts ausgeschaltet zu lassen, erfolgen auch entsprechende Strafen und Sanktionen.

Gerichtliche Verurteilungen oder ein Schulwechsel sind in den seltensten Fällen die Folge für den Täter. Meist wird versucht seitens der Opfer zu agieren, indem der Täter sofern dieser bekannt ist, oder eine Vermutung besteht, zur Rede gestellt wird. In der Studie gaben 46,2 Prozent der selbst Betroffenen an, den Täter selbst zur Rede gestellt zu haben, 41% informierten ihren Vorgesetzten und 12,8 Prozent brachten den Fall zur Anzeige. Nach dem Motto „Auge um Auge-Zahn um Zahn“ agierte keiner der Betroffenen: niemand der Betroffenen gaben an, als Reaktion auf einen Vorfall hin selbst auch gemobbt zu haben.                                                                                                                             

Wenn Betroffene nicht gegensteuerten, dann in erster Linie aufgrund von Gleichgültigkeit, Hilflosigkeit oder Scham. 38,5 Prozent der Betroffenen gaben an, sich durch die Vorfälle verunsichert zu fühlen und für weitere 38,5 Prozent der Opfer hatte der Vorfall keine nennenswerten Folgen. Dennoch sollten die Auswirkungen von Cyber-Mobbing im Allgemeinen nicht unterschätzt werden. Cybermobbing kann eine psychische Belastung darstellen, die in einzelnen Fällen traumatisieren oder auch zu depressivem Verhaltensweisen führen kann. Entsprechend sollte Opfern die Möglichkeit eingeräumt werden, psychologische Hilfe in Anspruch nehmen zu können.

Schneckenhaus oder Selbstreflexion

Als Opfer von Cybermobbing ist es wenig ratsam, sich gekränkt in sein Schneckenhaus zurückziehen, sondern es gilt aktiv zu bleiben und etwas zu unternehmen. Aktiv bleiben bedeutet, etwas zu tun, das hilft - Hilfe kann in Form von Gesprächen mit vertrauten Personen, professioneller Unterstützung wie z.B. Konfliktcoaching oder Mediation, oder auch dem Aufsuchen von Selbsthilfegruppen stattfinden. Wichtig wäre als Betroffener auch eine kritische Selbstreflexion die Auseinandersetzung mit eigenen Verhaltensweisen, die dazu beigetragen haben könnten, zum Opfer geworden zu sein. Sich mit eigenen „ungeliebten Seiten“ auseinanderzusetzen ist zwar nicht immer einfach, kann aber oftmals sehr aufschlussreich und in späteren ähnlichen Situationen hilfreich sein. Besonders Lehrkräfte sollten offen für Kritik und Feedback seitens der Schüler sein, um ein entspanntes Klima zwischen Lehrern und Schülern zu schaffen.

Quelle: GEW, pte

 

 

Unser Kommentar: Mobbing im konventionellem Sinne kann für Betroffene zweifelsohne eine große Belastung darstellen, auch wenn sich die Angriffe meist in einem kleineren überschaubaren Rahmen bewegen. Cybermobbing hingegen kann verletzende und beschämende Inhalte einer sehr breiten Masse im world wide web zugänglich machen und vollkommen neue Dimensionen annehmen. Erst kürzlich hörte ich von einem Fall, indem ein Schüler Nacktfotos seiner Exfreundin ins Internet gestellt hatte, um sich an ihr zu rächen. In Schottland zog ein Schüler einem Lehrer die Hosen runter, auf das dieser in Unterhosen dastand. Anschließend wurde das mit der Handykamera gefilmte Material auf die Seite YouTube gestellt. Häufig finden sich auch Video- oder Fotomontagen auf derartigen Seiten wieder, in denen z.B. Lehrer kurzerhand zu Pornodarstellern werden, etc. Welches Ausmaß die  Belastung für Betroffene teilweise darstellen muss, lässt sich nur allzu leicht nachvollziehen und nachempfinden, denn potentiell werden derart beschämende Inhalte Milliarden von Menschen zugänglich gemacht. Teilweise geraten vor allem junge Menschen dermaßen unter Druck, dass sie Suizid als letzten Ausweg wählen, wie Medien in letzter Zeit vermehrt zu entnehmen war. Nicht zu vernachlässigen sind auch eventuelle ungünstige Nachwirkungen für die Zukunftsperspektiven Betroffener. Ein potentieller Arbeitgeber müsste lediglich den Namen eines Bewerbers  in eine der gängigen Suchmaschinen eingeben um an Inhalte zu gelangen, die für den Bewerber beschämend sind und sich möglicherweise auch negativ auf dessen Arbeitperspektiven auswirken. Im Umgang von Menschen miteinander ergeben sich verschiedene Emotionen, dazu gehören auch Aggressionen, Neid, Eifersucht, Schadenfreude,…Mobbing ist lediglich ein Ventil um dem breiten Spektrum an Emotionen Ausdruck zu verleihen. Bevor ein Täter seinen Aggressionen aber freien Lauf lässt und einen Menschen zum Gespött der gesamten Nation degradiert, wäre zumindest ein kleines bisschen Empathie wünschenswert. Denn auch wenn der Täter noch so nachvollziehbare Motive hat um einer ungeliebten Person schaden zu wollen, wäre es doch schätzenswert sich in die Lage eines Opfers hineinzuversetzen, denn niemand möchte der gesamten Welt unfreiwillig in Unterhosen präsentiert werden.

Simone Georgieva/Zentrum Rodaun

 

 

Literaturtipps:

Chrisitan Weber, Björn Bedey: Schulgewalt, Bullying und Internet. Das Internet als Hilfsmedium für die Schulgewalt- und Bullyingproblematik. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Mario Singer, Thomas Volkmer: Tatort Internet. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Karl Gebauer: Mobbing in der Schule. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

 

 


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