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Lächeln bis der Arzt kommt: wenn Emotionen krank machen

von Birgit Oberwalder

 

Emotionen werden in vielen Berufen immer wichtiger, vor allem auch im Dienstleistungsbereich. Die Arbeits- und Organisationspsychologin Melanie Holz untersuchte nun an der Universität Frankfurt, welche Rolle Gefühle im Arbeitsleben spielen. Dabei kam sie zu der Erkenntnis, dass vor allem „unechte“ Gefühle dem Menschen schaden.

 

Geht es um positive Emotionen im Berufsleben, denkt man sofort an Berufe wie Kellner, Sekretär, Flugbegleiter oder auch an Angestellte von Call-Centern. Diese Berufsgruppen leben quasi von ihrer Freundlichkeit, und daher ist es von Bedeutung, dementsprechend Nettigkeit, Zuvorkommen und Höflichkeit an den Tag zu legen. Melanie Holz von der Universität Frankfurt untersuchte diese Berufsgruppen, die ihren Kunden täglich positives Verhalten entgegenbringen müssen. Sie kam zu dem Schluss, dass dies durchaus schädigend wirken kann. Dabei geht es im Prinzip um die einfache Tatsache, dass Menschen sich nicht jeden Tag gleich wunderbar fühlen und wenn sie dann trotzdem, obwohl es ihnen eigentlich schlecht geht, freundlich sein müssen, beeinflusst dies den Gesundheitszustand der betroffenen Person. „Erzwungene Freundlichkeit, statt empfundene, kann zu Burnout, Depressionen und psychosomatischen Krankheiten führen“, so Holz.

Bitte lächeln…

Die amerikanische Soziologin Arlie Hochschild prägte den Begriff der Emotionsarbeit Ende der 70er. Eine solche erfolgt immer dann, wenn Mitarbeiter dazu angehalten werden eine bestimmte Mimik, Gestik oder Sprache anzuwenden, um bestimmte Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Dies geschieht meist unabhängig vom tatsächlichen Befinden der Angestellten. Hochschild untersuchte Emotionsarbeit in Lohnverhältnissen und vor allem im Dienstleistungssektor. Als Beispiel sei hier der Beruf der Flugbegleiter erwähnt. So stellte sie fest, dass die Freundlichkeit bei der Arbeit nicht als Ergebnis des persönlichen Arbeitsstils zu werten ist, sondern im Sinne der Unternehmensstrategie zu verstehen ist und dementsprechend auch Trainings zu absolvieren sind. Diese Darstellung von Gefühlen, die nicht unbedingt mit dem tatsächlichen Zustand übereinstimmen müssen, lösen bei Dissonanz Stress aus. So muss der Mann an der Kassa im Supermarkt lächeln, auch wenn ihn der Kunde zuvor zur Schnecke gemacht hat, und ihm eigentlich nicht zum Lächeln zumute ist. Diese Dissonanz, dieses gezwungene Verhalten, schädigt auf Dauer. Betroffen sind vor allem Beschäftigte aus dem Dienstleistungssektor. Aber nicht nur Berufe, die positive Gefühle verlangen, sind betroffen. Auch Berufe wie Gerichtsvollzieher und Erzieher, bei denen oft negative Emotionen gefragt sind, gehören hier dazu. Im Endeffekt ist es irrelevant ob nun negative oder positive Gefühle „vorgetäuscht“ werden sollen. Beides wirkt sich schlecht auf die Gesundheit des oder der Betroffenen aus. Dies gilt auch für Empfindungen wie das Mitgefühl, das an den Tag gelegt werden muss, obwohl es nicht echt ist. Emotionale Anteilnahme und Gefühle, die nur aufgesetzt sind, wirken sich nicht nur schlecht auf die Beschäftigten aus, sondern werden von den Kunden meist auch als unecht und negativ empfunden.

Aus anderen Studien ist auch bekannt, dass man beispielsweise als Angerufener das echte Lächeln am anderen Ende der Telefonleitung sprichwörtlich sehen kann und durchaus von einem gespielten unterscheiden kann. Das heißt, gespielte Emotion wird meist auch als solche wahrgenommen und führt zu Ablehnung oder Misstrauen. Dies wiederum verlangt also, dass Mitarbeiter angehalten werden, nicht nur Freundlichkeit zu spielen, sondern diese auch wirklich zu empfinden. Wichtig und ausschlaggebend für das Ausmaß der Schädigung ist die Dauer, mit der ein Angestellter in Kontakt mit dem Kunden ist, und wie groß der Anteil der Emotionsarbeit im allgemeinen ist. Zeitdruck zum Beispiel führt im Vergleich zu der emotionalen Dissonanz weniger häufigzu Burnout und psychosomatischen Krankheiten.

Folgeschäden

Im Alter zwischen 17 und 19 Jahren ist der Jugendliche auf dem Weg ins Erwachsen werden und die körperliche Entwicklung ist noch nicht gänzlich abgeschlossen. Das betrifft auch das Gehirn. Wenn in diesem Alter oder noch früher viel Alkohol konsumiert wird, kann das zu Schäden im noch unausgereiften Gehirn führen. Die Wissenschafter gehen davon aus, dass beim Komasaufen Areale wie der vordere Bereich des Gehirns oder auch der  Hippokampus im Gehirn geschädigt werden könnten. Das bedeutet, dass Areale durch den Alkohol angegriffen werden, die für das Alltagsgedächtnis zuständig sind.

Aber neben den körperlichen Schäden durch Alkohol lässt sich noch ein weiterer Zusammenhang mit frühem Alkoholkonsum herstellen. Eine weitere britische Studie belegte, dass Jugendliche die häufig Alkohol trinken, auch im späteren Leben eher kriminell, drogenabhängig oder obdachlos werden. Die auf lange Zeit angelegte Studie begleitete 11 000 Teilnehmer vom 16. bis zum 30. Lebensjahr. Dabei verglichen die Wissenschafter dann das Trinkverhalten in jungen Jahren mit der Lebenssituation der Teilnehmer, wenn sie 30 Jahre alt waren. Alfred Uhl, Suchtexperte vom Anton Proksch Institut, warnt jedoch davor, den Alkoholkonsum als einzige Ursache für später auftretende Probleme verantwortlich zu machen. „Man muss“, so Uhl „Alkoholkonsum als Hinweis auf spätere Probleme sehen, aber nicht alleinige Ursache allen Übels.“

Berufsanforderung: Emotionsarbeit

Melanie Holz erklärt, dass diese Emotionsarbeit bei uns immer weiter zunimmt, da auch der sogenannte tertiäre Sektor in Europa wächst. Die Industrie wird in das Ausland verlagert und in unseren Breiten wird es immer wichtiger, mit Menschen umgehen zu können. Um den richtigen Kontakt mit Menschen zu pflegen, gilt es soziale Kompetenzen an den Tag zu legen. Mit der richtigen Emotion am richtigen Ort lässt sich sehr viel erreichen und die Kommunikation mit anderen Menschen bildet oft das Zentrum vieler Dienstleistungsberufe. Aber über diesen Sektor hinaus wird es auch immer wichtiger, interne Emotionsarbeit zu leisten. Der Vorgesetzte kann mit seinen Untergebenen nicht nach Belieben herumspringen. Vermehrt wird auch Wert auf Team- und Projektarbeit gelegt, und dabei kommen oft die unterschiedlichsten Menschen zusammen und müssen miteinander auskommen.

Gezielte Emotionsarbeit kann hier schnell zum Erfolg führen. Umso kürzer die Interaktion ist, desto einfacher ist es natürlich, etwas vorzuspielen. Wenn es sich um lediglich oberflächliche Darstellung der Gefühle handelt, kann diese Strategie durchaus aufgehen. Allerdings ist genau diese oberflächliche, unechte Gefühlsdarstellung schädlich. Kommt es hingegen zu echten, tief empfundenen Emotionen, so befindet man sich nicht in einem schädigenden Zwiespalt. Es ist zwar nicht sehr einfach, echte Gefühle willentlich hervorzurufen, jedoch ist es um vieles schwieriger, täglich eine Maske zu tragen. Meist entwickeln Mitarbeiter eine eigene Strategie, sich in die gewünschten Emotionen zu versetzen.

Quelle: telepolis

 

Unser Kommentar: „Fly with a smile“ - dieser Slogan einer Airline lässt uns wohl mit einer gewissen Erwartung in den Flieger einsteigen. Wenn dann die Flugbegleiterin ein Gesicht wie zehn Tage Regen macht (z. B. weil sie an die wirtschaftliche Lage ihrer Airline denkt), macht uns das unzufrieden. Schauplatzwechsel. Der Gerichtsvollzieher steht mit strenger Mine in der leergeräumten Wohnung einer Pensionistin, die herzzerreißend schluchzt. Trotzdem muss er ihr noch den goldenen Ehering und die Perlenohrringe abnehmen. Er hat eine Mutter im Alter dieser armen Frau und eigentlich würde er sie am liebsten umarmen und sagen, dass alles gut wird. Ausschnitte aus dem Leben von Menschen, die eigentlich nur ihren Job machen. Aber es ist mehr als nur ein Job. Es geht um Emotionen und um den bewussten Einsatz dieser. Ein Einsatz, der auch schwerwiegende Folgen für die Gesundheit haben kann. Vor allem auch Menschen aus dem Gastgewerbe sind diesen emotionalen Dissonanzen ausgesetzt. Freundlichkeit ist ihr Kapital. Immer schön nett zu den Gästen sein, damit sie wieder kommen. Auch dann, wenn der angetrunkene Gast die Kellnerin belästigt. „Sei nicht so zimperlich“ meint dann vielleicht der Chef. Leider müssen sich sehr viele Menschen diese Erniedrigungen gefallen lassen, man braucht schließlich das Geld. Sich täglich zu verstellen ist keine leichte Sache und macht auf Dauer krank. Meiner Meinung nach hat es in gewisser Weise auch etwas mit Würde und Respekt zu tun. Die Kellnerin muss nicht immer wahnsinnig nett sein. Was ich mir als Kunde erwarte, ist eine korrekte Behandlung. Melanie Holz liegt bestimmt richtig wenn sie meint, dass gekünstelte Emotionen nicht nur der betroffenen Person schaden, sondern auch für den Erfolg hinderlich sein können. Und der alten Dame kann der Gerichtsvollzieher trotzdem freundlich die Hand reichen und alles Gute wünschen. Wenn es von Herzen kommt, wird sie es wissen und es wird sie vielleicht ein wenig trösten.

Birgit Oberwalder/Zentrum Rodaun

 

Links:

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28053/1.html

 http://web.uni-frankfurt.de/fb05/psychologie/Abteil/ABO/forschung/emoarbeit.htm

Literaturtipps:

Daniela Rastetter: Zum Lächeln verpflichtet: Emotionsarbeit im Dienstleistungsbereich. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Stephan Bloße: Die Rolle menschlicher Gefühle im Berufsalltag. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

Stefan Einhorn: Die Kunst, ein freundlicher Mensch zu sein. Bestellmöglichkeit bei amazon.at!

 

Weitere Informationen zu diesem Themenbereich finden Sie in unserem Beitrag

Spiegelungen - interpersonelle Imitation und Resonanz

 

 


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