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Essverhaltensstörungen: Erste Ergebnisse einer neuen Studie

In der westlichen industrialisierten Welt ist seit langem eine Zunahme der Häufigkeit von Essstörungen zu beobachten. Das Vorkommen der Anorexia nervosa (Magersucht) liegt derzeit bei etwa 0,5% bis 1%, das der Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht) bei ca. 1% bis 3% bei den 13- bis 35jährigen. Essstörungen betreffen zu 95% Mädchen und junge Frauen und sind sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum anzutreffen.

Das Vollbild einer Essstörung ist unbedingt behandlungsbedürftig, wobei hier intensive Psychotherapie die Methode der Wahl ist, in fortgeschrittenen Fällen auch stationäre medizinische Behandlung. Ein Problem ist, daß die Kontaktaufnahme mit professionellen Helfern oft sehr spät erfolgt - durchschnittlich erst 7 Jahre (!) nach dem erstmaligen Auftreten der Erkrankung. PatientInnen mit Magersucht fallen oft durch ihr ausgeprägtes Untergewicht auf, wenngleich sie auch häufig versuchen, dieses z.B. durch sehr weite Kleidung zu verbergen. Häufiger kann jedoch die Bulimie übersehen werden, die auch nicht unbedingt mit dramatischem Gewichtsverlust verbunden sein muß.

Wie vor kurzem auch in den Medien berichtet wurde, wurden Anfang August die ersten Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die von Martina de Zwaan und Beate Wimmer-Puchinger an 1903 Schülerinnen und Schülern (1175 Mädchen und 728 Burschen) über deren Essgewohnheiten durchgeführt worden war. Das Durchschnittsalter der Jugendlichen, die mit einem Selbstbeurteilungsbogen befragt worden waren, betrug etwa 15 Jahre, ca. drei Viertel der Untersuchten besuchten eine höhere Schule wie AHS oder HAK

Die Ergebnisse dieser Selbstbeurteilung lassen keine Rückschlüsse über die Häufigkeit von manifesten Eßstörungen zu, dennoch lassen die Ergebnisse erkennen, daß Gewicht und Eßverhalten - wohl auch durch veröffentlichte Meinungen über Ideale - eine große Bedeutung im Leben junger Menschen haben:

-> Wie zu erwarten, haben Mädchen ein deutlich gestörteres Essverhalten und gaben mehr Unzufriedenheit mit ihrem Gewicht und ihrer Figur an als Burschen.

-> Essanfälle und kompensatorische Maßnahmen, die einer Gewichtszunahme entgegen wirken sollen, werden auffallend häufig angegeben - 12,7% der Mädchen gaben an, dass sie bereits absichtlich erbrochen haben, um ihr Gewicht zu halten oder zu reduzieren.

-> Diäten spielen eine große Rolle vor allem im Leben adoleszenter Mädchen: immerhin 50,7% haben eine Diät hinter sich und 16,7% stellen sich mindestens einmal täglich auf die Waage, um ihr Gewicht zu kontrollieren.

-> Ein Drittel (34%) der Mädchen (im Gegensatz zu nur 6,5% der Burschen) haben starke oder sogar sehr starke Angst davor zuzunehmen und ein ebenso hoher Prozentsatz der Mädchen gab an, daß ihr Selbstwertgefühl erheblich oder sehr stark von der Figur und vom Gewicht abhängt. 23,4% der Mädchen (9,2% der Burschen) sind mit ihren Körperproportionen sehr oder extrem unzufrieden.

-> Was den Autorinnen der Studie besonders erwähnenswert erscheint, ist, dass 5,4% der Mädchen und 2,9% der Burschen angaben, bereits Therapie oder Beratung wegen eines Essproblems gehabt zu haben.


Ao.Univ.Prof. Dr. Martina de Zwaan ist leitende Oberärztin an der Spezialambulanz für Essstörungen der Klinischen Abteilung für Allgemeine Psychiatrie, Univ. Klinik für Psychiatrie in Wien.

Ao. Univ.Prof. Dr. Beate Wimmer-Puchinger ist Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie und Wiener Frauengesundheitsbeauftragte.

Vorankündigung: am 4. und 5. Dezember 2000 findet im Festsaal der Wiener Rathauses eine Enquete zum Thema Essstörungen statt. Titel: "Die Betroffenen sind die ExpertInnen". Das genaue Programm wird Anfang November vorliegen.

Wir danken der Frauengesundheitsbeauftragten für die Überlassung der ersten Ergebnisse der Studie. Weitere Informationen zu diesem Themenbereich finden Sie in den Artikeln Ess-Störungen bei Jugendlichen nehmen zu und Magersucht: Betroffene werden immer jünger.

G. Kral/Zentrum Rodaun

 

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